Ostsee-Umrundung | gesamt 1.140 km
Danzig – Frombork | Tag 16 | heute 106 km
Unser angepeiltes Frühstückscafe ums Eck hat montags geschlossen. Also packen wir die Taschen an die Räder und finden eine Alternative. Wir ersetzen noch eine verlorene Schraube bei Tristans Vorderradträger und ich ziehe die Schrauben an meiner Schuhplatte nach, die ich fast verloren habe.
Unterwegs durch die Woiwodschaft Pommern
Wir verlassen Danzig Richtung Osten und fahren entlang der Peripherie und der Raffinerie weiter Richtung der Grenze Oblast Kaliningrad. So stehen heute ungefähr 100 Kilometer als Ziel. Zunächst queren wir einen Wasserlauf, die Marta Wisla, südöstlich von Danzig. Die Radwege sind nun sehr gut und ein Eurovelo 10 Weg lässt uns bei durchschnittlich 25 Stundenkilometern rasch vorankommen. Teilweise müssen wir über sehr befahrene Straßen fahren, kommen aber immer wieder auf ruhige geteerte Wirtschafts- und Radwege.
Wir kommen gerade um eine Kurve, als unsere Fähre, die wir auf die andere Seite der Weichsel nehmen müssen, ablegen möchte. Sie winken uns schnell noch durch und öffnen extra nochmal ihre Schranke.
Tristan muss die Schraube an seinem Träger nachziehen, der Spacer fehlt. Aber unser Inbus passt nicht ganz, weil die Schraube sehr verwinkelt zu erreichen ist. Ich frage ein paar polnische Menschen, die vor einem Haus an einem Schrank arbeiten, und sie leihen uns einen passenden Inbus-Schlüssel.
Viele Wasserläufe durchziehen diesen Landesteil wie auf dem Foto hinter Stobiec. Hier fühlen sich neben vielen anderen Lebewesen auch die Bremsen wohl – und sofort erwischen mich zwei. Die beste Lösung: Radeln!
Von der Woiwodschaft Pommern geht es über in die Woiwodschaft Ermland-Masuren. Insgesamt gibt es 16 Woiwodschaften in Polen. Das Gebiet entspricht historisch dem südlichen Teil des ehemaligen Ostpreußen.
Woiwodschaft Ermland-Masuren
Wir umfahren den Ausläufer des Frischen Haff oberhalb von Elblag in Nowakowo, Terranova, und staunen über die wunderbare mit Seerosen bedeckte Wasserlandschaft. Kraniche fliegen über unsere Köpfe hinweg und Störche suchen nach Nahrung.
Der Wind setzt uns auf diesem Teil etwas zu. So sind wir froh, als wir wieder Richtung Osten drehen. Ab Kamionek erwarten uns auf dem Weg nach Frombork, Frauenburg, noch einige Höhenmeter. Mehrfach geht es auf bis zu 110 m über dem Meer, um kurz darauf rasante Abfahrten mit bis zu 60 km/h zu bieten. Dazwischen durchqueren wir weite Feldlandschaften und Johannisbeerplantagen.
Letzter Zeltplatz vor der Oblast Kaliningrad
In Frombork finden wir den letzten Zeltplatz vor der Oblast Kaliningrad. Einige Reiseradler schlagen hier auf, für 40 Zloty verbringen wir die Nacht. Dafür gibt’s eine Küche, und wir nutzen die Gelegenheit, uns Bratkartoffeln zu kochen und etwas von der polnischen Dauerwurst von Robert Sigmundsson hineinzuschneiden. Es schmeckt wirklich toll. Wir erfahren, dass es für Kaliningrad seit dem 1. Juli 2019 auch ein kostenfreies elektronisches Kurzvisum gibt. Hätten wir das gewusst, hätte es Zeit, Mühe und Geld für das zweifache Visum gespart, aber davon war zur Zeit der Beantragung noch nichts bekannt. Nun sind wir mit unseren Visa bestens gerüstet, für St. Petersburg brauchen wir es eh.
Juli, eine deutsche Bikepunkerin aus Madrid
Auf dem Platz lernen wir Juli kennen, sie studiert in Madrid. Heute kommt sie vom Frischen Haff und fährt morgen ebenfalls nach Kaliningrad. Ihr Tempo ist sehr entspannt, sie fährt wie es gerade passt. In Kaliningrad möchte sie drei Tage bleiben. Wir entscheiden uns morgen in Kaliningrad, ob wir dort bleiben, was eigentlich geplant war. Aber es sind nur 60 Kilometer bis dort. Juli erzählt über die hohe Arbeitslosigkeit in Madrid und die Hausbesetzer-Szene vor Ort, die aufgrund gesetzlicher Unterschiede in Spanien viel ausgeprägter ist. Dafür ist das Gesundheitssystem dort sehr gut und für alle gleich. Jeder wird versorgt. Auf Julis Sweatshirt steht ‚Punks for Bike‘, der Slogan gefällt mir. Wir teilen Bier (danke!) und Studentenfutter miteinander und gegen 22 Uhr nehmen wir die Nachtruhe ernst. Der Wind rauscht in den hohen Bäumen, während ich diese Zeilen schreibe und mich auf Kaliningrad freue.
2 Kommentare
Hallo Bernd,
ich folge deinen wunderbar lebhaften und eindrucksvollen Beschreibungen der Reise. Ich freu mich mit euch über die schönen Erlebnisse und neue Bekanntschaften und leide mit euch, zum Beispiel bei Sandpisten.
Weiter eine gute Fahrt
Karl
Lieber Karl,
ich versuche es so lebendig wie möglich zu schreiben – und es funktioniert wohl! Heute verlassen wir die Oblast wieder und es geht über die Kurische Nehrung!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd