Jülich nach Dijon | Gesamt 376 km
Metz (FRA) nach Chaudeney-sur-Moselle (FRA) | Tag 5 | heute 75 km | 421 HM
Wie erschlagen öffne ich heute Morgen meine Augen, und das erste Geräusch, das ich höre, ist das Prasseln des Regens auf der Fensterbank. Etwas demotiviert packe ich meine sieben Sachen, oder besser gesagt fünf Taschen. Heute früh habe ich mir glücklicherweise ein Frühstück im Hotel gegönnt, und so nutze ich bis 10:15 Uhr die Zeit, um die Blog Berichte mit den zugehörigen Bildern zu ergänzen. So kann ich die für heute am intensivsten angekündigte Regenzeit sinnvoll nutzen.
Warmshowers
Doch dann kommt Motivation pur: Für die kommende Nacht hat glücklicherweise eine Familie über Warmshowers zugesagt. Uhhhhhh, das ist mutig von mir ohne Französisch! Doch sie sprechen auch Englisch, und so bin ich zuversichtlich, dass es ein spannender Besuch wird. Ich werde so zwar nicht meine vollen 80 Tageskilometer schaffen, aber das tausche ich dagegen gerne ein. Ich muss noch überlegen, was ich Ihnen für ein Gastgeschenk mitbringe.
Warmshowers ist eine Community von Radfahrern für Radfahrer. Dabei wird eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten, mal einfach ein Platz fürs Zelt, mal ein Bett – und immer eine warme Dusche. Da es immer selbst Radreisende sind, kennen sie die Bedürfnisse exakt, und meist ergibt sich ein toller Austausch über Radreisen.
Sonne!
Knapp 5 km dauert es, bis ich Metz hinter mir gelassen habe. Ich bin froh, den Autoverkehr los zu sein, und folge von nun an wieder dem Mosel-Radweg, der mich an kleinen Nebenarmen der Mosel entlang führt. Und es ist unglaublich: Es hört auf zu regnen und kleine Streifen blauer Himmel sind zu sehen. Das erste Mal seit Tagen.
Nach einer kleinen Mittagspause passiere ich die hübsche Abbaye des Prémontrés auf der gegenüberliegenden Flussseite von Ville de Pont a Mousson. In ihr kann man sogar zu moderaten Preisen übernachten. Na das wäre doch mal was: Abbaye des Prémontrés
Ich kürze die Moselkurve nach Nancy ab, und durchfahre stattdessen den Forêt Domaniale de Natrou, ein schönes Waldgebiet. Wahrscheinlich ist es wieder ein Gravel Routing, denn die Wege sind teils schroffe Wanderwege, und es treibt mich mehrmals auf 300 Höhenmeter, bis es wieder steil zur Mosel zurückgeht. Dabei kam fast ein bisschen Schweden-Feeling auf, und ein Mountain Bike wäre teilweise nützlich gewesen.
Die letzten Tageskilometer führen noch einmal entspannt an der Mosel entlang und die Sonne blitzt zum Tagesabschluss durch die Wolken. Der Mosel-Radweg führt immer wieder auch auf einem Damm entlang, so dass man beidseitig von Wasser umgeben ist. ich genieße die letzten Kilometer bis zum schönen kleinen Ort Chaudeney-sur-Moselle oberhalb der Mosel.
Ein bisschen wie zu Hause
Deutlich hinter meinem eigentlichen Zeitplan schlage ich bei meiner heutigen Warmshowers Gastfamilie auf. Hier herrscht eindeutig Fahrrad Enthusiamus, das wird mir sofort klar, als ich ein komplett demontiertes Rad im Schuppen hängen sehe mit seinen darunter ordentlich sortierten Komponenten.
Das wirklich toll hergerichtete Bauernhaus kombiniert rustikale Mauern und Kamine mit modernen Elementen. Und es gibt noch viel mehr, als nur eine warme Dusche: Ich habe ein eigenes geräumiges Schlafzimmer und werde zum Dinner eingeladen. Es gibt selbstgemachte Kartoffel-Lauchsuppe, super leckeren Quiche, französischen Käse, Wein und Brot.
Dazu gibt es tolle Gespräche mit Hélène und OIivier, die mit ihren beiden Jungs in diesem Jahr selbst eine über 500 km lange Familien-Radtour durch Frankreich gemacht haben. Dabei sind sie zunächst dem weiteren Verlauf der Mosel gefolgt, die ich morgen verlassen werde. Wir sprechen natürlich viel über Radtouren, aber auch über wichtige und unwichtige Dinge im Leben. Ich habe das Gefühl, sie machen da viel richtig. Mit ihren beiden Jungs sind sie viel unterwegs, zum Beispiel zum Radfahren und Bouldern. Als ich ankam, ließ der 12-jährige Pierre gerade einen Drachen hinter dem Haus steigen, denn es ist seit heute Nachmittag windig geworden. Paddeln statt daddeln, denke ich lächelnd an die Rurstausee-Radtour mit meinem fast gleichaltrigen Julian zurück.
Sprachbarrieren
Meine Gastgeber sind sehr interessiert, wie es für mich beruflich weitergeht, und auch die wirtschaftlichen und coronalen Themen kommen nicht zu kurz. Und ich nutze die Gelegenheit, um Dinge über Frankreich zu fragen, die mich interessieren. So erfahre ich, dass auch in den französischen Schulen zwei Fremdsprachen gelernt werden und Englisch dabei meist erste Wahl ist. Zweite Wahl ist oft Deutsch oder Spanisch. Olivier schüttelt den Kopf, als ich von meinen Erfahrungen berichte, dass mich auch junge Leute in Frankreich oft nicht auf Englisch verstehen. Er denkt, es liegt daran, dass sie es einfach zu wenig sprechen, ihnen also schlicht die Übung fehlt. Gleichzeitig entschuldige ich mich, dass ich so wenig Französisch spreche. Olivier und Hélène sprechen beide vorzüglich Englisch, so dass wir toll zurechtkommen.
Ach so, welches Gastgeschenk ich mitgebracht habe? Ein handgemachtes Stück Seife von Sabon mit Vanilleduft! Morgen verlasse ich die Mosel und es erwarten mich einige Höhenmete. Ich bin gespannt, wie das Wetter wird. Gibt es erneut Regen auf meiner „tour d’automne“?
2 Kommentare
Beautiful pictures Bernd ! We realy appreciated the time we spent together. Thank you for sharing your experiences, and don’t hesitate to contact us if you are back to our region. Take care !
And by the way we were most impressed by your custom made bike, how can’t you want to ride every day with such a bicycle ?
Thank you so much Olivier! I can’t tell you, how often I mentioned you and your family in the last two weeks, when talking about my tour. You painted my French picture with a beautiful encounter, telling me so much about France and French people. Stay healthy in this crazy Covid times! Can´t write any more, I must get back on my bike :D. I dropped my adress via warmshowers, you are invited also to stay with us, once in our area!