Ostsee-Umrundung | gesamt 7.570 km
Fehmarn (DEU) | Tag 97 | heute 54 km
Fehmarn ist Teil des EuroVelo 10 – warum also nicht die Fehmarn Umrundung einfach an einem meiner Urlaubstage fahren? Ja, ich gebe zu, ich habe etwas Sehnsucht, wieder auf meinem lotusgrünen Flitzer zu radeln. Er hat mir die letzten Tage gefehlt!
Fehmarn ist die drittgrößte Insel Deutschlands nach Rügen und Usedom mit einer Küstenlinie von 78 Kilometern. Während die Nordküste eine Dünenküste mit Strandseen ist, ist die Ostküste steinig und bietet einen langen Steilküstenabschnitt.
Wir wollen heute das NABU Wasservogelreservat Wallnau besuchen. Es liegt auf der anderen Seite der Insel im Südwesten, so dass ich nach 20 Kilometern eine Pause einlegen kann.
Von Puttgarden aus fahre ich zunächst westlich an der Nordküste Fehmarns entlang. Das Vorderrad ist repariert. Ich fahre nun auf einem 5 Millimeter schmaleren Mantel. Ohne meine 30 kg Gepäck ist es heute beinahe wie fliegen, bergauf habe ich richtig Schwung und selbst gegen den Wind lässt es sich gut fahren.
Begegnung mit dem Leben
Der Fahrradweg ist inseltypisch toll ausgebaut. Keine Autos, nur ein paar Fußgänger und Radfahrer entlang der meist gekiesten und bestens ausgeschilderten Route. Ich überhole ein Pärchen und halte ihnen 500 Meter weiter das Weidegatter auf. Der ältere Herr freut sich sehr und meint, dass es schön sei, dass es so etwas noch gibt. Und schon sprechen wir über Fahrräder, Dänemark und das Leben. In jungen Jahren ist er nach einer Operation am Kopf dem Tod knapp von der Schippe gesprungen. 3 Tage war er im Koma, 136 Infusions Spritzen haben ihn am Leben gehalten. Jetzt steht er vor mir, mit 82 Jahren, hat so manches erlebt und immer das Leben geschätzt. Er ist auch jetzt noch voller Motivation und mit seiner Frau im Camper unterwegs. Lasst mich mit 82 noch so mobil sein, denke ich und gebe den Beiden nach einer Viertelstunde herzlichem Gespräch vor allem den Wunsch für lange Gesundheit mit auf den Weg.
Tipp: Im NABU Wasservogelreservat Wallnau angekommen, essen wir zunächst zu fairer Preis/Leistung etwas zu Mittag. Alles bio und freundliches Personal noch dazu. Eintritt mit Ostseecard: Erwachsene 8,50 €, Kinder 3,50 €. Für 1 € leihen wir ein Fernglas und besichtigen die Ausstellung und das Reservat. Es gibt Experimente für Kinder und Vogelbeobachtungspunkte, von denen aus das Fernglas zum Einsatz kommt. Es ist ein Muss, sonst wird es rasch langweilig. So gibt es in der Entfernung immer etwas zu entdecken. In den Beobachtungshütten sind Plakate zur Vogelbestimmung angebracht. Das ganze Gelände ist großzügig angelegt und wir schließen unseren Besuch im Café mit bio-Cappucino und -Kuchen ab. Es gibt auch einen erlebenswerten Barfuß-Tastpfad mit Augenbinden und Geruchsdosen, aber uns war es heute barfuß doch zu frisch.Unserer Meinung nach in jedem Fall einen Besuch wert.
Unwetter zieht auf
Ich setzte meine Fahrt um die Insel erst um 16 Uhr fort. Zunächst geht es gegen den Wind am westlichen Rand der Insel entlang. Kitesurfer nutzen die steife Brise und legen gewaltige Luftsprünge hin, während im Hintergrund entfernt Leuchtturm und Fehmarnsundbrücke zu sehen sind. Dunkle Wolken am Horizont verkünden leider Ungemach und wenige Minuten später bekomme ich eine Unwetterwarnung für Fehmarn. Welch Luxus, das habe ich lange nicht bekommen. Prüfend sehe ich mir das Wetterradar an und kann identifizieren, dass die Gewitterfront mich gegen halb sechs erreichen wird. Das Risiko einer direkten Begegnung mit dem Unwetter kann ich zumindest hier auf Fehmarn versuchen zu meiden.
Und so kürze ich die Insel südlich etwas ab und fahre statt an der Wasserlinie landeinwärts direkt nach Burg. Um 18:20 Uhr nutze ich einen Imbiss, stelle mein Rad unter, und schaue mir den zehnminütigen Starkregen ab 18:35 Uhr von drinnen an. Oft genug habe ich das auf der Tour ungeschützt erlebt. Wie entspannt ich mit einem Kaffee in der Hand dem Regen zuschauen kann.
Als ich weiterfahre, sind Straßen und Wege nass. Ich lege meine Regensachen an, um mich vor dem Spritzwasser zu schützen. In Katharinenhof erreiche ich wieder die Ostsee und fahre entlang der nun folgenden Steilküste einen traumhaften Radweg im Halbdunkel zurück bis Puttgarden, im Osten immer begleitet von einem goldenen Streifen der untergehenden Sonne. Ja, so darf Radfahren sein.
Überlegungen zum Gepäck
54 Kilometer stehen mit der kleinen südlichen Abkürzung auf dem Tacho, sie liefen heute fast wie von selbst. Unterwegs habe ich zwei Campingplätze gecheckt, sie waren beide in Winterpause. Nur wenige haben noch geöffnet, meist konzentriert auf Campingwagen. Vielleicht ist es sinnvoll, die schwere Tasche mit Zelt und Proviant meiner Familie mitzugeben? Ich habe es schon länger nicht mehr einsetzen können. Mein Hinterrad wäre damit um zehn Kilogramm entlastet und es dürfte sich auf meinen ab Sonntag folgenden letzten Radtagen in Dänemark und Deutschland bemerkbar machen. Wildes Zelten geht nun eh nicht mehr. Zumindest nicht offiziell. Und es ist für Zelter und Blogger recht einsam, den ganzen Tag alleine zu radeln und dann alleine zu zelten. Zu dieser Jahreszeit trifft man als Radreisender sonst kaum noch jemanden. Da bieten B&B und Hostels ganz gute Gesprächsmöglichkeiten.
Ab Sonntag wird wieder in die Pedale getreten: Zunächst setze ich nach Dänemark über, fahre dort ein Stück, setze nach Langeland über und radle dann weiter nach Svendborg. Kurios: Mein Tourziel Lübeck war heute nur noch 88 Kilometer entfernt, nun entferne ich mich zunächst noch einmal.