Ostsee-Umrundung | gesamt 7.315 km
Kopenhagen (DNK) – Rødvig (DNK) | Tag 94 | heute 76 km
Es regnet schon den ganzen Morgen. Ich warte ab, bis das Gröbste vorbei ist und fahre gegen 11 Uhr in Kopenhagen in voller Regenmontur los. Bis circa 14 Uhr habe ich Zeit, dann soll der nächste große Regen einsetzen.
Das Leitsystem aus Kopenhagen heraus ist super, so flüssig bin ich noch nie aus einer Großstadt gerollt. Ich bewege mich auf breiten Fahrradwegen und erreiche schon nach knapp 6 km ein Naturschutzgebiet. Entlang der Ostsee fahre ich weiter Richtung Süden. Die schöne offene See hat auch einen Nachteil: Ungehindert bläst mir der heute markante Südwind ins Gesicht und kostet mich einige Stundenkilometer.
Ich überquere entlang der E20 die Ostsee südlich von Kopenhagen. Westlich entlang eines Wärmekraftwerks drehe ich zum Strand von Brøndby, wo ich entgegen eines Schülerlaufs fahre. Dort lege ich eine fünfminütige Pause ein, mehr möchte ich mir nicht gönnen, ich will die regenfreie Zeit möglichst intensiv zum Radfahren benutzen.
Und ich entdecke einen Eurovelo 10 Wegweiser, meine Route! Der erste seit Estland, also seit vielen tausend Kilometern. Ich freue mich sehr, denn es verheißt gute Radwege. Und alles ist plötzlich flach, ich habe heute praktisch Höhenmeter gegen Gegenwind eingetauscht.
Bis Køge fahre ich parallel zur Küste, und tatsächlich bleibt es trocken. Es gibt in jedem kleinen Dorf in Dänemark Radwege, so dass ich nur über Land auf kleineren Straßen ohne sie unterwegs bin.
Hinter Køge holt mich das Regengebiet dann doch ein. Erst mit leichtem Nieselregen, dann geht es richtig los. Und ich bin froh, schon alle Regenklamotten inklusive meiner gelben Überschuhe zu tragen. Ich erfreue mich im Regen an Reiher, Schnecken und dänischen Kirchen.
Schnell buche ich mir einen trockenen Platz in Rødwig und lasse ein Schloss mit einem kleinen Umweg von drei Kilometern links liegen. Im strömenden Regen möchte ich einfach nur noch mein Ziel auf kürzestem Weg erreichen. Rødwig ist dann auch wirklich ein kleiner hübscher Ort direkt am Meer, und das Hotel mal wieder ein Glücksgriff.
Tipp: Das Hotel Klinten ist ein bed & bike Hotel, und so wird mir von selbst die Frage gestellt, ob ich einen sicheren Platz für mein Rad brauche. Das war sonst oft etwas kompliziert. Ich fühle mich hier insgesamt sehr willkommen, und darf mir erst einmal einen warmen Kaffee nehmen. Außerdem gibt es eine Stelle, wo ich mein Rad mit einem Schlauch sauber machen darf. Das hatte ich noch nie. In der Sauna wärme ich mich auf und im Restaurant gibt es abends etwas sehr Leckeres zu essen. Das ganze zu einem akzeptablen Preis, ein Bruchteil von Kopenhagen.
Beim Abendessen unterhalte ich mich mit einem anderen Deutschen. Er ist beruflich hier, und repariert im Ort Faxe eine Maschine. Ich habe den Ortsnamen heute schon öfters gelesen und mich immer gefragt, ob das Bier ‚Faxe‘ wohl von dort stammt. Und er bestätigt es mir tatsächlich, dort arbeitet er momentan.
Freigeistiges Gespräch nach dem Abendessen
Nach dem Essen komme ich mit der freundlichen Bedienung ins Gespräch. Monika ist Dänin und lebt knapp zehn Kilometer entfernt von hier. Sie erzählt mir viel über die Haltung der Dänen, in vielem erkenne ich die Schweden und Norweger wieder, in manchem auch die Deutschen. Sie sagt, die Dänen sind in der Kommunikation eher zurückhaltend. Dass sich zwei Menschen, die sich nicht kennen, im Restaurant unterhalten, wie der andere Deutsche und ich, das kennt man hier eigentlich nicht. Und die Dänen seien sehr regeltreu, rote Fußgängerampel bedeutet warten, egal ob etwas kommt oder nicht. Das wiederum erinnert mich an uns Deutsche. Wir unterhalten uns auch über Kopenhagens Christiania, über Teilen und über freigeistiges Denken. Sie ist für ihre 22 Jahre erstaunlich reflektiert und es ist wie ein Gespräch unter Freunden. Ich bin dankbar, eine so redefreudige Gesprächspartnerin in Dänemark gefunden zu haben, das hatte ich nicht erwartet.
Ich schreibe im gemütlichen Frühstücksraum in einem Sessel den Blog zusammen und bearbeite die etwas verregneten Fotos von heute, bevor es ins Zimmer geht.
In Gedanken bei meinen schwedischen Freunden
Draußen ist es stürmisch und regnerisch, und ich staune, dass Irene und Ludwig abermals nur 31 Kilometer südlich von mir entfernt weiter draußen in offenen Hütten in Hängematten schlafen. Wir sind wirklich nur knapp voneinander entfernt, aber sie fahren nicht so dicht an der Küste entlang wie ich auf meiner Eurovelo Route. Während mein Ziel übermorgen Rødby ist, um nach Fehmarn zu kommen, ist ihr Ziel möglicherweise schon morgen Gedser, um nach Rostock überzusetzen. Im Geiste nahe, auf der Karte getrennt.