Ostsee-Umrundung | gesamt 5.759 km
Högakustenbron (SWE) – Sundsvall (SWE) | Tag 74 | heute 90 km | gesamt 5.759 km
Yippie, für heute ist kein Regen angesagt. Aber: Es regnet. Die Hängebrücke, von der man beim Frühstück kaum den Blick abwenden kann, ist immer wieder von Regenwolken eingehüllt. Es ist kaum möglich ein Foto mit ihr zu schießen. Dabei brauche ich eins für Social Media, denn gestern hat mich unsere schottische Unterstützerin motiviert, bis hierhin zu kommen: Sie hat mir morgens 1€ pro gefahrenem Kilometer angeboten. Und ich hätte selbst nicht gedacht, dass nach dem harten Vortag 100 Kilometer drin waren! So wandern heute Morgen 100 € aus Schottland auf unser Spendenkonto für die Sri-Lanka-Hilfe Aachen. Und abends nochmal 50 € von einer lieben Freundin aus Aldenhoven und am Vortag 30 € von einem lieben Ex Kollegen aus Düsseldorf. Wow!
Ich entdecke einen Massagesessel und genieße lieber eine Massage, statt mich in den Regen zu begeben. Irgendwann muss ich dann aber doch los, und so starte ich heute erst nach 11 Uhr.
Zunächst übersehe ich heute früh das Verbotsschild für Fahrräder und fahre einfach dran vorbei über die Brücke. Es fällt mir erst nach fünf Minuten auf der anderen Seite wieder ein. 20 Kilometer Umweg vs 1,8 Kilometer Gas geben.
Die 1.867 Meter lange Fahrt über die Brücke ist ein tolles Erlebnis, ist sie doch eine der größten Hängebrücken der Welt. Circa eine Million Arbeitsstunden stecken in ihr, sie ist 4-spurig (momentan nur 2-spurig), 182 Meter hoch und 17,8 Meter breit. Zwischen den Pylonen liegen 1.210 Meter!
Erwartungsgemäß sind auch heute wieder tüchtig Höhenmeter für mich drin. Die ‚Hohe Küste‘ hier in Schweden ist wirklich wunderschön, die Berge des Inlands ziehen sich hier fjordartig bis an die Küste. Es muss ein fantastisches Wandergebiet sein, ich würde es gern mit Julian, unserem Dreizehnjährigen, erkunden. Er möchte unbedingt mal eine Hiking Tour machen. Vielleicht hier? Eigentlich möchte er nach Norwegen.
Ein paar Grad Unterschied
Es ist heute mit 11 Grad ein ganzes Stück wärmer als gestern, und ich staune immer wieder, welchen Unterschied schon fünf bis sechs Grad machen. Wie empfindlich reagieren wir doch auf kleine Temperaturunterschiede. Es wundert mich, dass sich die Menschen wenig Sorgen um die Klimaveränderung machen, die auch mit einer Erwärmung um einige Grad einhergeht mit dramatischen Folgen weit jenseits des persönlichen Wohlbefindens. Aber vielleicht wachen sie doch noch rechtzeitig auf, ich habe mich gestern sehr gefreut, als ich ein Foto von fünf meiner Ex-Kollegen aus der Bank von dem großen Fridays for Future Streik bekam. Es werden zum Glück immer mehr, die für Klimagerechtigkeit aufstehen und aktiv werden. Seid laut, Leute!
Seenlandschaften am Weg
Der Weg führt mich wieder an unzähligen Seen vorbei. Nachdem es gegen 14 Uhr aufhört zu regnen, ziehe ich meine Regensachen aus. Ich denke über einen Vergleich nach, und es ist am ehesten so, als ob ich seit mehreren Tagen um den Rursee fahre. Das trifft die bezaubernde aber leider wolkenverhangene Landschaft und die Höhenmeter recht gut. Dabei wird mir nochmal bewusst, dass die Höhenmeter ordentlich Zusatzballast sind. 1000 Höhenmeter am Tag sind zum Vergleich identisch mit viermal die Sophienhöhe, unseren Jülicher Hausberg, hoch und wieder runter zu fahren. Mit vollbepacktem Rad wohlgemerkt. Den Spinner möchte ich sehen, der mit dem ganzen Gepäck dort hinauf fährt!
Dann komme ich noch an der Haftanstalt Saltvik vorbei, die wirklich mit beeindruckenden Sicherheitszonen und Mauern umgeben ist. Wie ich recherchiere, besitzt sie die höchste Sicherheitsklasse 1 mit insgesamt 120 Plätzen.
Die restlichen Kilometer entfernte ich mich von der Natur und komme mehr an die Küste, die industriell besiedelt ist, unter anderem durch eine große Papierfabrik.
Gegen 18 Uhr bin ich ungewöhnlich früh in Sundsvall und ziehe noch eine Kurve durch die Innenstadt über den hübschen Marktplatz. Im Hotel angekommen hoffe ich etwas aufholen zu können mit dem Blog.
In Gedanken am Nordkapp
Heute wäre ich dem Plan nach am Nordkapp gewesen. Klar, ich wäre wirklich gern dort gewesen. Ich hätte unglaublich gern Polarlichter gesehen. Aber Jürgen, den ich in Kukkolaforsen an meinem nördlichsten Punkt meiner Tour nach 5.000 Kilometern kennengelernt habe, verfolgt den Blog. Er hat kommentiert: ‚Es hat den ersten Schnee auf dem Weg zum Kapp gegeben‘. Also, wohl alles richtig gemacht.
Nun bin ich schon die halbe schwedische Küste wieder hinunter gefahren und nähere mich jeden Tag wieder ein bisschen meiner lieben Familie, aktuell knapp 3 % der Reststrecke pro Tag! Spots wie die beeindruckende Högakustenbron dabei bewusst wahrzunehmen, das ist mir ein wichtiges Anliegen. Es ist manchmal nicht leicht, die Balance zu finden zwischen Kilometern und Genuss. Irgendwo dazwischen liegt mein Radreiseglück!
2 Kommentare
Lieber Bernd,
wir alle leiden mit dir auf diesem superharten Teil deiner tollen Tour.
Motivation? Die hast du ja eigentlich reichlich, auch wenn sie im Moment zugedeckt ist. Abgesehen von diesem großen Erlebnis an sich, die gesamte Ostseeküste intensiv kennenzulernen, mit Tiefen und vielen Höhen, schreibst du ja selbst, dass dich derzeit auch die großzügigen Spenden für unser Sri Lanka Projekt motivieren. Dass dir das so wichtig ist und du sogar Motivation daraus ziehst, ist für mich eine große Freude und verbindet uns sehr! Vielen Dank, lieber Bernd!
Dazu kommt, dass ich das Gefühl habe, dass du das Schlimmste hinter dir hast. Das Wetter zumindest soll dort ja in den nächsten Tagen trockener und etwas wärmer werden.
Ich wünsch dir wunderschöne Tage ohne viele Berge und ohne Regen, mit Rückenwind, interessanten netten Menschen und schönen Unterkünften. Bis bald!
Lieber Karl,
hab herzlichen Dank! Ja, die Spenden und all die Kommentare sind meine Motivation, auch wenns mal hart auf hart kommt. Ich freue mich, dass ich mit meiner Zeit etwas Gutes und Sinnvolles tun kann. Manchmal ist es einfach an der Zeit zu geben.
Heute war endlich wieder ein sonniger Tag mit knapp unter 100 Kilometern und ich konnte den Sonnenuntergang genießen statt noch spät zu radeln. Die Fotos kommen im Blog!
Bis bald und radreiseglückliche Grüße
Bernd