Ostsee-Umrundung | gesamt 5.669 km
Örnsköldsvik (SWE) – Högakustenbron (SWE) | Tag 73 | heute 100 km | ?
Nach dem gestrigen harten Tag komme ich heute morgen sehr schlecht aus den Füßen. Zunächst mache ich einen kleinen Abstecher zum Fjällräven Center, einer Arena direkt am Hafen von Örnsköldsvik. Die Firma hat hier ihren Hauptsitz und so ist die Halle als Hauptsponsor nach ihr benannt.
An meinem Limit
Die Stadt südwärts verlassend geht es sofort aufwärts. Und das ordentlich, die erneute Umgehung der E4 katapultiert mich in kürzester Zeit auf nassen und sandigen Wegen von 0 auf 250 Höhenmeter ins Landesinnere. Vielleicht ist ‚katapultieren‘ nicht das richtige Wort, denn es geht langsam und mühsam. Kilometer 35 ist erst zu meiner Mittagspause um 14 Uhr erreicht, und ich muss zugeben, dass der Grad meiner Verzweiflung zu dieser Zeit groß ist. Zu diesem Zeitpunkt sind es kalte 4 Grad, und der Regen ist stärker geworden. Der Anstieg hat mir alles abverlangt, aber ich habe nicht geschoben. Ist auch gar keine Alternative, denn das Rad ist so schwer, dass Schieben genauso anstrengend ist. Dafür habe ich mal wieder gehört und gespürt, wie sich Atmen am Anschlag anhört. Und ich kann meine wasserfesten Sealskinz Handschuhe ausprobieren, nur einen Tag nach den wasserdichten Socken des gleichen Herstellers.
Ich stärke mich mit Baguette, Protein Riegel und Trinkjoghurt und hoffe, dass es so nicht weitergeht. Weitere 35 Kilometer dieser Art brauche ich nicht. In der Tat geht es anschließend rasant bergab und ich gewinne rasch Kilometer dazu. Mehrfach überschreite ich heute im Regen die 50 km/h, es treibt mir die Tränen in die Augen vom Fahrtwind – oder aus Freude, oder vom Regen oder der Kälte?
Als ich befürchte wieder auf die E4 zu müssen, was in mir sofort Schrecken auslöst, erblicke ich einen neuen Radweg. Er begleitet die Elendstraße 4 – entschuldigung, ich meine natürlich Europastraße 4 – zwischen Docksta und Ullånger auf der vollen Länge des Meeresarms. Schweden, davon brauchst Du mehr! Er ist so gut, dass ich sofort EuroVelo dahinter vermute, aber nichts dazu sehen kann.
Die Högakustenbron
Kurz vorm Ziel gegen 19 Uhr nach 1.350 Höhenmetern dann ein lautes Schleifgeräusch vorne beim Bremsen. Es lässt sich nicht wegbremsen, vielleicht ein Stein im Bremsgummi. Da es mittlerweile dunkel ist, es immer noch regnet und meine Regensachen nach 7 Stunden Regen dann doch ziemlich feucht sind, beschließe ich erst morgen danach zu sehen. Noch einmal kurz auf die E4 Richtung Süden, nach Norden sind Fahrräder hier verboten, vermutlich wird die Straße hier wie öfters zur Autobahn. Kurz vor der 1,8 Kilometer langen ‚Högakustenbron‘, Schwedens längster Hängebrücke, ein Baustellenschild: Radfahrer verboten.
Ich komme nach dieser Logik also nicht mehr vor und auch nicht zurück. Naja, das Problem löse ich morgen, für heute geht es rechts ab zum Hotel mit Blick auf die Brücke. Sie wurde 1997 in Betrieb genommen und überquert den Fluss Ångerman zwischen Krångfors und Härnösand. Klamm und feucht freue ich mich auf die Sauna – die leider gebucht reserviert und damit nicht für andere zugänglich ist. Ich begnüge mich mit der heißen Dusche und genieße beim Abendessen die Aussicht auf die beleuchtete Brücke.
4 Kommentare
Hut ab, Bernd! Alles Gute weiterhin ?
Hab lieben Dank, Kai!
Alles gute weiterhin dir. Ich fühle sehr mit dir!! Wir alle kennen diese Etappen die einem in dem Moment alles abverlangen vor allem im kopf abspielen. Jeden Tag ein Schritt weiter und die phantastischen Momente geniessen die so vielzählig und wunderbar sind! Das ist das was zählt!
Manche Antworten sieht man erst sehr spät :). Hab ganz lieben Dank für deinen motivierenden Kommentar, Valeska! Das war damals eine wirklich harte Etappe, aber die Region bleibt auch ein unvergessenes Highlight.
Radreiseglückliche Grüße
Bernd