Ostsee-Umrundung | gesamt 4.892 km
Kemi (FIN) | Tag 65 | heute 5 km
Den heutigen Tag habe ich in der kleinen Stadt Kemi am bottnischen Meerbusen verbracht. Geradelt bin ich auch, aber nur ohne Gepäck durch die 20.000 Einwohner Stadt, das war sehr entspannt. Wie wendig und leicht das Rad dann ist! Die leeren Energiereserven habe ich mit Frühstück und Mittagessen aufgefüllt. Tatsächlich fand sich ein Thailänder mit Buffet für 10 €, und schon nach drei vollen Tellern war ich gesättigt und konnte zum Kaffee übergehen. Ich nehme deutlich wahr, dass zum jetzigen Stadium der Tour meine Energiereserven reduziert sind.
So kommen mir verregnete Ruhetage wie dieser ganz recht. Dank der hohen Kilometerleistungen der vergangenen Woche größer 120 Tageskilometer kann ich mir ein solches Aussetzen auch locker leisten. Als ich heute Abend nach längerem wieder auf meinen Zeitplan schaue, muss ich lachen. Die Stadt Kemi steht dort genauso, wie der letzte Tag in Finnland mit dem 13. September angegeben ist. Wohlgemerkt, das habe ich vor fast einem Jahr so geplant!
Das Mineralienmuseum in Kemi
Was gibt es Besonderes in Kemi? Ein Edelsteinmuseum, und dazu ein wirklich schönes. Nicht nur, dass es eine umfassende Sammlung von Halbedelsteinen besitzt, sondern diese sind auch sehr ansprechend und professionell präsentiert, so dass nicht die übliche Museums-Müdigkeit einsetzt. Es sind wirklich Raritäten dabei, wie die berühmte große Amethysten-Druse aus Brasilien.
Die finnische Krone
In der ersten Etage dann die Krone des finnischen Königs, zumindest die einzige Herstellung nach den historischen Plänen, denn sie wurde nie wirklich für ihn produziert, zeigt aber die Handwerkskunst der Goldschmiede in Kemi. Interessant: Sie war für den deutschen Prinzen Friedrich Karl von Hessen gedacht, den der finnische Reichstag 1918 überraschend zum König proklamierte. Nach einigen Monaten des Tauziehens um seine Person lehnte er den finnischen Thron dann jedoch ab.
Comic Ausstellung
Nebenbei gibt es noch eine pfiffige Comic Ausstellung, die im gleichen alten Haus von 1918 untergebracht ist und im Preis enthalten ist. Es ist nebenbei eine Museumspremiere für mich: In den anderthalb Stunden meines Besuchs bin ich der einzige Gast! Privatmuseum sozusagen. Die nette Dame im Museum unterhält sich lange mit mir, und zum Schluss gibt sie mir sechs Glückssteine für meine Familie und mich mit auf den Weg, damit mir nichts passiert. Das Nordkapp solle ich besser lassen, zu spät in diesem Jahr. Ich freue mich sehr über diese Geste und werde das Glück zu Hause in der Familie verteilen.
Gespräch mit einer Einheimischen
Ich führe noch einige andere gute Gespräche heute. Zunächst im Frühstückskaffee mit einem finnischen Ehepaar, später am Nachmittag im Snow Castle Hotel mit einer netten Chinesin. Sie arbeitet dort, da ich aber für eine Stunde der einzige Gast bin, kommen wir ins Gespräch. Sie meint, sie haben noch Stellen frei für die Wintersaison, denn Kemi ist vor allem für den Winter bekannt. Fast wäre ich geblieben! Die Ostsee ist dann zugefroren und man kann mit Skibobs bis nach Schweden fahren, Eisfischen, die Eisbrecher besichtigen und vieles mehr. Das machen aber nur die Touristen, wie mir nachher ein Einheimischer erzählt, die Bewohner Kemis gehen bei den eisigen Temperaturen von minus 25-30 Grad Celsius und oft kniehohem Schnee nur zum Einkaufen vor die Tür, zumal es am kürzesten Tag nur eine Stunde hell ist.
Am Ende gibt sie mir noch einen guten Tipp für den nächsten Tag für eine schöne Stelle am Fluss oberhalb von Haparanda, die ich versuche einzuplanen.
Abends unterhalte ich mich nach Sauna und Packen nochmal mit einem netten jungen Mann, der hier in Kemi lebt, aber zur Zeit mit durch Fußball lädiertem Knie viel Zeit in dem Hostel verbringt, das dem Eigentümer seines Fußballvereins gehört. Er ist selbst vor drei Jahren aus Nigeria hierher gekommen und wir scherzen viel über die Pläne eines Radreisenden, der im wirklichen Winter zum Kapp fahren möchte. Nein, das hält er für lebensgefährlich bis unmöglich, wegen so vieler Faktoren. Er hat mit seinem Verein schon in der ersten finnischen Veikkausliiga gespielt, wie ich abends herausfinde.
Zu spät für das Nordkapp?
Alle meine Gesprächspartner aus der Region sind sich einig: Sie denken ich bin einen Monat zu spät für das Nordkapp. OK, sie wären allerdings auch nie um die Ostsee geradelt, denke ich lachend. Morgen ist der letzte Tag in Finnland, es geht nach Haparanda, der letzte Weg zum Nordkapp startet und endet dort. 18 Kilometer werde ich die Straße den Fluss hinaufradeln, da dort der Tipp der Chinesin liegt. Nachmittags soll es regnen, und so mache ich morgen etwas zahmer. In letzter Zeit bin ich arg getrieben – von mir selbst. Aber: der Einzige, der mich treibt, bin schließlich ich selbst, und ich radle ja in erster Linie, um die Schönheiten der Natur zu sehen und mit euch zu teilen. Und um Spenden fürs Projekt zu sammeln natürlich!
3 Kommentare
Ups, jetzt geht es zurück nach Süden? Also wahrscheinlich doch nicht zum Nordkapp. Könnte ich sehr gut verstehen.
Meine Wünsche gelten natürlich für jede Himmelsrichtung!
Die Wetterprognosen sind gekippt und für das Inland von Lapland ist Frost und Schneefall in der kommenden Woche angekündigt Ich sitze gerade nochmal glücklich an meinem nördlichsten Punkt und nehme Abschied! Es sieht wunderschön aus hier am Fluss, und irgendwann kommenich wieder…
Diesen Traum behalte ich im Herzen!
Sieht so aus, dass du netter Verrückter tatsächlich nach Norden fährst. Tja, die Wetterprognose sieht ja erst mal günstig aus.
Mögen die Götter des Rückenwindes, des Sonenscheins und der Wärme mit dir sein!
Auf wunderbare Tage und interessante, freundliche Begegnungen.
Wir freuen uns auf deine Berichte.
Karl