Ostsee-Umrundung | gesamt 4.272 km
Pori (FIN) – Kristinestad (FIN) | Tag 56 | heute 129 km | ?
Heute heißt es Abschied zu nehmen von Samis Paradies. Beim Frühstück schaue ich aus dem Fenster, und keine zwei Meter entfernt tappt ein Fuchs am Fenster vorbei! Die Taschen habe ich schon gestern Abend gepackt, so brauche ich einen Augenblick, bis die Kamera parat ist, aber ich erwische ihn noch am Toilettenhäuschen! Da bleibt er brav stehen und scheint enttäuscht, dass es verschlossen ist.
Heute Morgen mache ich noch klar Schiff in Sauna und Haus. Es erinnert mich sehr an das Ferienhaus meiner Schwiegereltern, wenn wir die Endreinigung gemacht haben. Ich höre meine Frau sagen: „Jetzt nicht mehr mit den Schuhen rein, Kinder!“
Als ich alles fertig habe, gehe ich noch einmal zum Steg hinunter und schaue auf das heute tiefblaue Meer. Zwei Tage hier haben gereicht, damit ich nun tatsächlich etwas wehmütig hier stehe und der Abschied schwer fällt. Ich schreibe kurz mit Sami und ziehe dann die Tür hinter mir zu. Tschüss, du Kleinod, ich werde dich vermissen!
125 Kilometer habe ich heute vor mir bis Kristinestad. Dabei verläuft die Strecke weitgehend an der Küste. Sie führt mich zunächst am sechs Kilometer langen Strand von Yteri vorbei. Die Dünen sind ähnlich wie an der deutschen, niederländischen und polnischen Küste, seit der Oblast Kaliningrad habe ich das nicht mehr gesehen. Hier brummt im Sommer sicher der Tourismus, es gibt einen riesigen Campingplatz, Grillhütten, ein Restaurant, ein Café – aber alles hat seit dem 31.08. geschlossen. Die Bürgersteige sind hochgeklappt. Einsam steht ein letzter Wohnwagen auf dem Gelände des Campingplatzes. Die einzigen Menschen in den Dünen sind Maler, die versuchen die schöne Landschaft auf Leinwand zu bannen.
Der Weg führt von Yteri nördlich über einige kleine Inseln, so dass ich die Gelegenheit habe, euch ein kurzes Video zu drehen, wie eine solche Verbindung aussieht.
Erst nach über 40 Kilometer taucht der erste Supermarkt auf, in dem ich meine leer gefutterten Vorräte aufstocken kann. Ich verbinde es mit meiner Mittagspause und inhaliere Brot, Pizza, Früchte und meinen täglichen Joghurtdrink, mein trinkbarer Eiweißschub.
Die weitere Strecke entlang der Küste führt ab Ahlainen zunächst über einen Waldweg und dann über die kleine Straße 2680. Sie ist wirklich kaum von Autos befahren, und ich ertappe mich, wie ich oft einfach in der Mitte fahre.
Der Wind ist heute meist mein Freund und beschert mir am Ende einen Tagesdurchschnitt von über 21 km/h. Ich möchte pünktlich bis 19 Uhr bei meiner ersten Couchsurfing Adresse sein, und so schaue ich heute immer etwas auf die Uhr und trete schon ordentlich in die Pedale. Natürlich stelle ich wie immer im Laufe der Fahrt fest, dass es nicht 125, sondern 135 Kilometer bis zum Ziel sind.
Warum übrigens haben finnische Straßen meist zwei Straßenschilder? Das eine ist finnisch, das andere schwedisch! Aber Vorsicht beim Taxi, sonst fährt es dich beim schwedischen Namen vielleicht nach Schweden!
Als ich die Adresse meines Ziels gegen 18 Uhr bekomme, stelle ich erleichtert fest, dass ich nicht ganz bis Kristinestad muss. So erreiche ich nach 129 km das schöne Haus meiner Gastgeberfamilie.
Der Hammer: ich habe nicht nur ein eigenes Bett, sondern auch Bad, Küche, Waschmaschine und das Ganze in einem separaten Cottage. Bosse und Tarja empfangen mich sehr herzlich und laden mich zu sich zum Essen um 20 Uhr ein.
Das Essen ist ein richtiges leckeres Dinner und wird von einem Eis mit heißen Beeren gekrönt. Ein Traum! Viel wichtiger aber: ich kann Tarja und Bosse mit all meinen Fragen zu Finnland löchern und ihnen im Gegenzug von meinen bisherigen Erfahrungen in den Ländern der Tour erzählen. Bosse war früher Kartoffel-Landwirt und parallel Supervisor für Elektrotechnik, Tarja ist Zahnärztin.
Wir finden zum Beispiel heraus, dass die Türen zu den Häusern in Finnland meist auf der Rückseite sind und sich dort auch das Leben abspielt. Das erklärt dann auch, warum ich wie in Estland nie jemanden sehe, obwohl Autos vor den Häusern stehen und die Gärten gepflegt sind. Wir unterhalten uns über pro und contra der finnischen und deutschen Schulsysteme und über unser Spendenprojekt.
Sie erzählen mir davon, dass immer mehr junge Leute von den kleinen Städten in die großen Städte wie Turku und Helsinki ziehen, was für die kleinen Städte ein Problem darstellt. Und wir finden das Vertrauen auch über Dinge zu sprechen, die man sonst vielleicht nicht jedem erzählt.
Es ist halb zwölf, bis ich schlafen gehe, und ich bin sehr dankbar für diese offene Gastfreundschaft der beiden. Tochter und Sohn sind längst ausgezogen, Tarja meint, es ist doch genug Platz zum Teilen da. Vielleicht sollten wir alle ein bisschen mehr teilen. Nein – bestimmt sollten wir das!
2 Kommentare
Hallo Bernd,
deine Fotos sind wirklich super……..die Landschaft in Finnland ist SUPER. Hoffentlich hält das Wetter jetzt beim beginnenden Herbst und du musst nicht in“ Eis und Schnee “ radeln – hier ist jedenfalls der Sommer vorbei ….
Besonders wenn man allein unterwegs ist , ist couchsurfing wohl eine tolle Sache .Bestimmt laden dich auch noch andere couch-Vermieter zum Essen ein , und zum „Tausch“ hast du ja gute l Reisegeschichten zu erzählen.
Gute Reise und viel Rückenwind !
Herbstliche Grüße aus Aachen Charlott
Dankeschön, Charlott! Ja, es gibt wirklich wunderschöne Ecken. Die Kombination der ins Meer abfallenden Gesteine mit dem Wasser ist immer wieder hinreißend. Die Strecken dazwischen sind oft lang und ziehen sich – besonders bei Gegenwind.
Das stimmt, Couchsurfing erweist sich für mich als Glücksgriff! Tolle neue Menschen und Übernachtungsmöglichkeien mit dem großen Ansatz des Teilens. Ganz, ganz toll!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd