Ostsee-Umrundung | gesamt 4.143 km
Pori (FIN) | Tag 55 | heute 0 km
Heute also ein Tag zum Ausruhen in Samis Cottage. Als Sami mir vor circa 15 Jahren Fotos von seinem Ferienhaus in Finnland gezeigt hat, habe ich sofort geantwortet: „Da fahre ich mal mit dem Fahrrad hin!“. Natürlich habe ich das nicht gesagt, und wer mir damals gesagt hätte, dass ich 4.143 Kilometer in die Pedale trete, um hierhin zu kommen – dem hätte ich wahrscheinlich einen Vogel gezeigt. Wohl kann ich mich noch daran erinnern, dass ich schon damals die Fotos sehr schön fand, und tatsächlich gerne einmal hingefahren wäre.
Getrieben von mir selbst
Ich stelle mir die Frage, was ich heute unternehmen werde. Das Haus liegt weit durch den Wald an der Küste, bis nach Pori sind es 15 Kilometer. Puh, das sind 30 Kilometer gesamt an einem eigentlich fahrradfreien Tag. Sami gibt mir noch einige Tipps aus der Ferne. Ich schlendere in der Morgensonne durch den wunderschönen, naturbelassenen Garten, und eine rote Libelle landet auf meinem Fuß.
Ich beschließe, einige Fotos von der Natur zu machen, und eine Eidechse läuft mir über den Weg. Ja bin ich denn eigentlich verrückt, heute irgendwo hinfahren zu wollen? Genau hier hat es mich hingeführt, und ich überlege ernsthaft auch nur eine Stunde davon zu verschenken? Das kommt gar nicht in Frage, ich bleibe hier.
So genieße ich, wie die Grashüpfer vor meinen Füßen davon hüpfen, unzählige verschiedene Libellenarten um mich herumfliegen und auf mir landen, und ich beobachte im Wasser zwischen dem Schilf kleine Jungfische, vermutlich Barsche.
Auch der Pilzreichtum in Samis Garten ist erstaunlich. Ich höre immer wieder meinen Vater sagen: „Schau mal, der riesen Steinpilz!“ Er wäre selig, diesen Pilzreichtum zu sehen. In jeder einzelnen Ecke des Gartens gibt es etwas Neues zu entdecken, sei es ein quirliger Ameisenhaufen, oder eine Schlupfwespe auf der Suche nach einem Ablageplatz.
Und es gibt eine große Liebe zu Katzensteinen, kleine Kunstwerke, die überall überraschen.
Meine Familie in Deutschland besucht derweil heute den Krefelder Zoo. Ich habe den Zoo heute direkt vor meinen Füßen. Und eine schöne Küche, in der ich meine Energievorräte wieder auffüllen kann. Immer koche ich mir eine doppelte Portion, und immer esse ich sie direkt auf. Es ist seltsam, in den Hostels hatte ich selten Lust zu kochen, es waren ja auch immer irgendwelche Restaurants in der Nähe. Hier aber habe ich richtig Lust dazu.
Baden in der finnischen Ostsee
Als die Temperaturen ihren Höhepunkt erreichen, beschließe ich zum Baden in die Ostsee zu gehen. Sie ist hier sehr flach, und so stehe ich nach 30 Metern immer noch nur bis zur Hälfte der Unterschenkel im Wasser. Ich mache einige Fotos und ein kurzes Video, und lege das Handy so lange auf den Stein, den ihr auch im Video sehen könnt. Nein, keine Angst, es liegt noch dort, als ich zurückkomme. Einige Meter weiter schaffe ich es dann tatsächlich, auch ein bisschen zu schwimmen. Außer in Russland habe ich es bisher in jedem Land meiner Reise geschafft, in der Ostsee schwimmen zu gehen.
Abschied vom Sommer
Es ist wirklich grandios, und mir wird bewusst, dass dies möglicherweise zunächst der letzte warme Sommertag hier in Finnland sein wird. Die Wettervorhersage für die kommenden 14 Tage sagt zumindest für meinen jetzigen Standort 11 Tage mit Regen voraus. Zugegeben, das drückt etwas meine Stimmung. Bislang habe ich es bis auf kleine, nasse Ausnahmen geschafft, um den Regen herum zu navigieren. Das wird nun nicht mehr so einfach gehen.
Bei der täglichen Streckenplanung für den kommenden Tag fällt mir mit Erschrecken zudem noch ein weiterer Punkt auf: Die Campingplätze hier in Finnland schließen zum Ende der Hüttensaison am 31.08. meist ihre Pforten. Eine warme Dusche auf einem Campingplatz alle zwei Tage ist mir aber schon sehr recht. Das bedeutet, es wird über Hostels, Hotels oder Airbnb deutlich teurer, oder ich brauche eine andere zusätzliche Alternative. So überlege ich mich bei Couchsurfing anzumelden. Da die Registrierung 52 € kostet, werde ich es mir bis morgen überlegen.
Ein großer Dank an Sami und seine Familie
Sami, an Dich und Deine Familie einen ganz großen herzlichen Dank, dass ihr mir den Aufenthalt in eurem kleinen Juwel ermöglicht habt. Dein Angebot hat mich bereits vor der Tour sehr gerührt und der Aufenthalt zur Mitte der Strecke ist wie ein Stützpfeiler geworden. Es ist sicher auch spannend, jeden Tag ins Ungewisse zu fahren, aber manchmal ist es einfach schön, sich auf etwas freuen zu können. Dass es dann noch ein kleines Naturparadies ist, macht es umso schöner. Ich hoffe meine Fotos geben ein klein wenig meines Radreiseglücks wieder, das ich hier erleben darf.
Spätnachmittags heize ich noch einmal die Sauna an, und es geht mir heute deutlich leichter von der Hand. Die mit Holz geheizte Sauna mit ihrem Kaltwasser- und Warmwasser-Behälter hat es mir schon wirklich angetan.
Abends diskutiere ich die neuen Herausforderungen bezüglich Campingplatz und Wetter mit meiner Frau. Eine Reise wie diese steckt fast jeden Tag voller neuer kleinerer oder größerer Herausforderungen. Es gibt gar keine Alternative dazu, als sich ihnen zu stellen und Lösungen zu finden. Man wächst jeden Tag daran.
Nach dem Abendessen staune ich, wie schnell der Tag dann doch vergangen ist. Meine Polarlicht App sagt mir, dass die Chance Polarlichter zu sehen gerade bei 34% liegt! Leider sagt mir der zu 90% bewölkte Himmel, dass es zunächst nur Theorie bleiben wird. Morgen soll es fast den ganzen Tag regnen, und ich werde Zeit für Blog und anderes Organisatorisches haben.
Und so ist es dann auch. Um 8:30 Uhr fängt es an zu regnen, erst gegen 16 Uhr hört es wieder auf. Stellenweise regnet es über 11 mm pro Stunde und ich bin froh, dass ich nicht gefahren bin. Ich nutze die Zeit zum Bloggen, Schlafen, Kochen und um einen Video-Call mit unserer Tochter Kristina und Milan zu führen.
Entspannung durch Couchsurfing-Zusagen
Und um mir ein gutes Profil für Couchsurfing zu erstellen, denn meine Anfragen müssen ja erst einmal akzeptiert werden. Tatsächlich wird meine erste Anfrage für Kristinstad direkt zugesagt – darüber freue ich mich sehr, es ist etwas Licht am Übernachtungshorizont. Eine zweite Anfrage für eine Übernachtung in Vaasa schicke ich auch los, denn ich werde einen Tag vor Susanne dort ankommen. Keine zwei Stunden später habe ich auch dort eine Bestätigung. Ich freue mich, denn meine Befürchtungen zu fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten und ausbleibender Kommunikation schmelzen.
Noch einmal nutze ich Samis fantastische Sauna und lerne verstehen, was Finnen so mit Hütten und Sauna verbindet. Man muss es einfach finnisch erleben, um es zu verstehen. Schade, dass ich dieses schöne Fleckchen Erde morgen früh wieder verlassen muss.
6 Kommentare
Lieber Bernd,
Glückwunsch, du hast anscheinend schon Vaasa erreicht, wenn man das Live-Tracking betrachtet. Ich vermute, dass du in den zwei Tagen seit Samis Paradies eher schlechtes Wetter hattest; vielleicht konntest du auch deshalb seitdem nichts von dir hören lassen. Jetzt ist die Wetterprgnose aber besser, so dass du dich erholen und auf das Treffen mit Susanne noch mehr freuen kannst. 🙂
Dann wirst du wohl auch entscheiden, wie es weitergeht. Ich als Nicht-Fachmann würde in dieser Jahreszeit das Nordkap rechts liegen lassen und links abbiegen!
Der Herbst ist inzwischen auch hier eingetrudelt. Gut für den Garten…
Dein Blog mit den wunderbaren Bildern ist weiter toll und lehrreich und lässt uns mit dir mitreisen, mitfiebern, leiden, freuen. Vielen Dank für diese Reise!
Dir und euch wünsch ich eine schöne erholsame Zeit in Vaasa.
Lieber Karl,
das hast Du gut gesehen! Heute warte ich auf Susanne, die erst nach Mitternacht ankommt. Da es heute den halben Tag geregnet hat, habe ich die Kilometer des Donnerstags auf Dienstag und Mittwoch gelegt. So waren diese besonders intensiv und mit dem neuen Couchsurfing und den damit einhergehenden tollen Gesprächen fehlte die Zeit zum Bloggen. Heute hole ich auf.
Ja, das Nordkapp. Ich möchte gerne hin. Aber die Voraussetzungen ändern sich und das Risiko steigt. Kurze Tage, einsetzender Regen, Kälte, geschlossene Campingplätze, Cafés etc, kaum Supermärkte. Couchsurfing mangels Besiedlung ebenfalls nicht. Manchmal muss man erkennen, wenn Risiken sich anhäufen. Die finale Entscheidung steht aus, aber eine Tendenz lässt sich ablesen. Dann würde ich es bei der Umrundung der Ostsee lassen, was die Strecke um 1.600 km vermutlich sehr harte Kilometer verkürzt. Die Umrundung der Ostsee im Baltic Sea Project wäre trotzdem geglückt.
Alles Gute nach Deutschland aus dem schönen aber verregneten Vaasa,
Bernd
Lieber Bernd, geniesse die Pause bei samis ferienhaus. Sieht verdammt idyllisch aus.
Nach ueber 4.000 km (WOW! Respekt!) Hast du dir diesen Break verdient! Ich entdecke neugierig mit dir Finnland. War leider selbst noch nie da, habe es aber unbedingt vor. Ich habe während meiner studienzeit 2 Jahren mit 4 Finnen studiert.( 1 davon als boyfriend) und bin seitdem ein grosser fan der Finnen. Sie sind auf dem ersten blick in der tat wie von asko erwähnt sehr wortkarg und zurückhaltend, können aber grossartig und offen mit einer ordentlichen Portion trockener Humor sein. Ich empfehle dir, falls du die noch nicht kennst, die Filme von aki kaurismaki als finnischer regisseur. Lass dich nicht vom ersten blick taeuschen. Sie müssen geknackt werden! Mach weiter und geniesse die zeit! Sei nicht zu streng mit dir und deinem Körper. Gönne dir viele schöne Pause (Wie mit deinem hohen Besuch!) . Ich finde, du musst nichts mehr beweisen, sondern nur noch geniessen! Sei gedrückt! Christel
Liebe Christel,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar! Du solltest Deinen Plan für Finnland umsetzen! Ich wusste gar nicht, dass Du so finnischen Einfluss hattest!
Es ist wirklich eine schöne Landschaft und ganz viel Natur.
Morgen geht’s weiter nördlich und ich freue mich sehr auf Vaasa und meine Frau diese Woche!
Ich hoffe Dir geht es gut, lass Dich nicht unterkriegen!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd
Hallo, schau mal hier : https://de.warmshowers.org/
von Radfahrern für Radfahrer.
Liebe Grüße
Kathrin
Danke Dir, Kathrin, ja, da hatte ich mich vor der Reise schon versucht anzumelden, irgendetwas ist schief gegangen. Hab ich gerade nochmal wiederholt, aber zunächst ist man mit 3 Tagen Sperre belegt.
Damit habe ich dann direkt zwei Optionen: Couchsurfing und Warmshowers. Womit hast Du bessere Erfahrungen gemacht?
Radreiseglückliche Grüße
Bernd