Ostsee-Umrundung | gesamt 3.495 km
выборг (RUS) – Kotka (FIN) | Tag 47 | heute 140 km
Um 9:45 Uhr sitze ich heute nach einem guten Frühstück auf dem Rad mit 125 Kilometern vor der Brust. Der Checkout war eher schwierig. Die nette junge Rezeptionistin von gestern war zwar gerade noch da, doch plötzlich sitzt ein junger Mann dort, der sehr überfordert ist. In Wyborg kassieren sie in den Hotels den Reisepass ein zur Registrierung, bislang hatten sie ihn in Russland einfach kopiert und wieder ausgehändigt. Sie denken aber morgens nicht von selbst dran ihn wieder rauszugeben, man muss sie dran erinnern. Und ohne kommt ihr nicht wieder raus aus Russland!
Wo ist der Reisepass?
So gibt er mir zunächst einen fremden Ausweis und kann meinen nicht finden. Ich gebe ihm dann den Tipp, mal im Fach der Zimmernummer zu schauen, denn ich sehe, dass die meisten Ausweise dort sind. Ja, da ist er. Er telefoniert nochmal, ob er mir auch das Registrierungsdokument geben muss. Dann möchte ich mein Fahrrad, und er hat keine Idee, wo der Schlüssel ist. Wieder telefoniert er. Am Ende habe ich mein Fahrrad, alles gut!
Rund 55 Kilometer sind es bis zur Grenze. Kurz vorher an einem Rasthof mache ich eine Pause und tausche meine letzten Rubel gegen etwas Essbares. Meine Kreditkarte fällt draußen vorher runter, ich stecke sie wieder ins Portemonnaie.
Weiter geht’s die letzten 5 km in Russland. An der Grenze tatsächlich ein russisches Radreise Pärchen auf dem Weg nach Finnland. Wir sprechen bei der Passkontrolle, und scharf werde ich von der Beamtin darauf hingewiesen nicht zu sprechen. Ok, ok. Kein Lächeln, das übliche Prozedere. Artig sein, ich will ja nicht zum Verhör.
Der finnische Beamte fragt nach meinen Fahrzeugpapieren und ich sage, dass ich keine habe und zeige aufs Fahrrad. Interessiert fragt er nach, und meint „What a trip, man!“. Ein kleiner Scan, und ich bin in Finnland, wieder in der EU, und ich freue mich tatsächlich richtig darüber, wieder in meinem Europa ohne solche Grenzen zu sein. Ich strahle den Beamten draußen an und sage laut: „Back in Europian Union!“. Er lächelt.
Es vergehen 50 Meter und ich befinde mich auf einem Radweg. Ein Radweg! Er wird mich lange begleiten. Und wechselt dann auf eine kleine fast unbefahrene Straße ohne Mittellinie, die sich wunderbar durch die Landschaft schlängelt und auf und ab geht. Es ist alles aufgeräumter und freundlicher hier in Finnland. Die Schilder zu den Häusern, die Häuser selber.
Kreditkarte weg!
Ich besorge mir eine finnische SIM, um meinen (und euren) Hunger nach Internet zu stillen. Beim Bezahlen – ist meine Visa Karte weg. Ich durchsuche alles mehrmals, sie ist einfach weg. Vermutlich in Russland am Rastplatz verloren. Verrückt, sie ist mir nie runtergefallen außer dort. Wie kann ich sie dann direkt anschließend verlieren? Egal, es gibt ja eh kein zurück, weder von den Kilometern, noch vom Visum her. Also: schnell sperren.
Der Weg zu meinem Camping Platz unterhalb von Kotka ist dann aber doch länger als gedacht. Als ich an Kotka vorbeifahre, ist es bereits 20:05 Uhr, und ich schaffe nicht mal mehr den Abstecher in den Ort.
Um 21:00 baue ich schließlich mein Zelt auf, versuche noch etwas zu essen zu bekommen, dusche erst um 22:30 Uhr und falle hundemüde in die Federn. Es stehen 140 (!) Kilometer auf meinem Tacho, neuer Streckenrekord, dazu 1.000 Höhenmeter, ein Grenzübergang – und das bei 20 km/h Gegenwind. Morgen trete ich im wahrsten Sinne des Wortes etwas kürzer!
Erkenntnis der schwindenden Tageslänge
Es war hier um 21:27 Uhr bereits dunkel, während es in Jülich noch hell war. Ich habe alles in der Planung berücksichtigt, aber nicht die Tageslänge. Das kann für das Nordkapp zum Problem werden. Zu dem Zeitpunkt, wenn ich plane dort zu sein, geht die Sonne bereits um 18:17 Uhr unter. Es begrenzt meine Fahrtzeit erheblich. Wir werden sehen.
Eine andere Planung hingegen ist erstaunlich präzise: Ich plante Russland bis zum 24.08, ab dem 25.08. Finnland. Gestern, am 25.08. habe ich Russland verlassen! Und mit was für einem riesen Sprung!
2 Kommentare
Hallo Bernd,
eine Wahnsinnleistung. Hut ab. Welcome back in the EU. Wie geht das jetzt weiter ohne Kreditkarte? Vom letzten Geld einen Hut, Drehorgel & einen Affen kaufen, danach in der Fußgängerzone die Reisekasse auffüllen? 🙂
Mach weiter so. Tolles Projekt
Ach, einfach durchschnorren. Ich hab’s mal mit Singen versucht, aber da bekomme ich nichts.
Im Ernst: es gibt ja noch die Maestro Karte, gerade nach Russland kein Problem mehr. Und ich hab noch ne zweite Karte in Petto. Aber es war die Hauptkarte. Toll, dass man die online sperren kann – ein Genie, der das eingeführt hat!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd