Ostsee-Umrundung | gesamt 3.155 km
Kotly (RUS) – St.Petersburg (RUS) | Tag 42 | heute 126 km | ?
Ich starte morgens mit einem Frühstück um kurz nach 7 Uhr im Hotel. Auf einem anderen Blog lese ich, dass der Besitzer nicht nur beim Militär, sondern beim KGB war. Das erklärt alles noch etwas besser.
Der Feldweg führt mich über den kleinen Ort Maloye. So sehe ich neben den Schnellstraßen einmal einen wirklichen russischen Ort. Natürlich wartet am Ende des Orts auch ein großer Hund auf mich. Der rafft aber nicht, dass das Tor neben ihm offen ist, sondern läuft bellend und knurrend innen am Zaun entlang. Puh, da ich nicht weiß, ob der Zaun am Ende offen ist, steigt das Adrenalin trotzdem. Der Zaun ist Gott sei Dank zu.
Ich durchfahre den industriell geprägten Ort подозванье. Am Straßenrand sitzen Frauen und verkaufen Gemüse und Obst. Ich möchte aber erst ein Viertel der Strecke hinter mich bringen, also etwa 35 Kilometer, bis ich die erste Pause einlege. Als es dann soweit ist, sage ich mir, dass es doch toll wäre schon 50 Kilometer zu haben. Dann frage ich mich, wie viele Kilometer ich bis 12 Uhr schaffe. Selbstmotivation nennt man das. Es sind dann 53 Kilometer, so viele wie noch an keinem Tag zu der Uhrzeit. Da ich die circa 135 Kilometer nach St. Petersburg in einer Tour schaffen möchte, ist das ein erster guter Punkt.
Keine einladenden Cafés am Wegesrand
Die Pause mache ich an einer heruntergekommenen Bushaltestelle. Haben die Estländer noch viel Liebe in schöne Bushäuschen gelegt, besonders auf Saaremaa und Hiiumaa, sieht es hier ganz anders aus. Überhaupt ist das ein Mangel, es ist einfach wenig schön, genauso wie in der Oblast Kaliningrad. An der Strecke sind drei Cafés, aber ich möchte als einzelner Radreisender nicht hinein. Es gibt keine einladenden Plätze draußen, und die Eingänge vermitteln eher den Eindruck wie bei uns finstere Kneipen. Dazu suspekte Gestalten davor, nicht Soldaten, aber meist in Camouflage Kleidung. Ich wollte mein Rad und Gepäck noch etwas behalten. Vielleicht muss ich mich auch einfach mehr daran gewöhnen?
Müllentsorgung Gasleitung auf Russisch Zu verkaufen Mittagspause Russischer Ort
Kein Fahrradland
Warum die Tour an einem Tag? Es wären sonst nur je 63 Kilometer und ich würde einen Tag verlieren. Und ich fühle mich auf den russischen Straßen nicht wohl und möchte auch nicht in so seltsamen Hotels landen. Auf den großen Straßen fühle ich mich gehetzt. Es ist schon erschreckend, wenn plötzlich ein Auto mit circa 180 Sachen zwei Meter entfernt an Dir vorbeifetzt, Du bekommst einen Mordsschreck und es zieht Dein Rad auch zur Mitte. Genauso, wenn der Gegenverkehr überholt und in zwei Meter Abstand an Dir vorbeifährt – auch mehrmals passiert heute. Ich weiche mittlerweile einfach in den Schotter des Seitenstreifens aus, wenn ich das kommen sehe.
Einige LKW-Fahrer haben einen guten Trick, sie hupen kurz vorher mehrmals kurz, wenn sie sehen, dass gleichzeitig der Gegenverkehr kommt. Damit verstehe ich: es wird eng, und ich kann direkt ausweichen in den Schotterstreifen. Das ist mir lieber, als dass es gefährlich wird. Ihr meint ich könnte ausweichen und durch die Orte fahren? Leider nein, sobald es von der Hauptstraße abgeht, befinde ich mich auf schlechten Feldwegen. Und in den Orten dann immer die Hundegefahr.
10 cm tiefe Schlaglöcher AB rechts, zweispurig links Hügelig, AKW Sosnowy Bor
Bis auf die Gefahren ist es heute ein Kilometersammeln. Bis ich nach Peterhof komme und zumindest von außen das wunderschöne Schloss Peterhof besichtigen kann. Rein kann ich nicht, ich habe lange nicht solche Massen an Touristen gesehen. Hier kann ich das Rad nicht abstellen. Aber für ein paar schöne Bilder reicht es allemal! Das ‚russische Versailles‘ wurde 1991 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.
Das Foto von mir hat eine nette russische Familie gemacht, die sehr gut Deutsch spricht. Sie leben in Stuttgart und besuchen ihre Familie in Moskau mit Zwischenstopp in St Petersburg. Grüße nach Stuggi!
Russische Radfahrer Eskorte nach St. Petersburg
Nach einer kleinen Stärkung geht es weiter auf die letzten 30 Kilometer nach St. Petersburg. An einer Ampel treffe ich zwei andere Radler, einer davon mit Gepäck, Helm und Warnweste. Zuerst denke ich es ist ein Deutscher. Falsch, er lebt wie sein Begleiter in Petersburg, ist Russe und spricht gut Englisch! Er war als Tourist in Berlin. Als er fragt, wie nochmal der Fluss in Berlin heißt, komme ich nicht direkt drauf. Ich muss lachen, als er mir als Russe in St. Petersburg sagt: „Die Spree!“.
So unterhalten wir uns die kommenden 20 Kilometer und Andrej erklärt mir die Gebäude am Weg, wie den Palast, in dem Putin wohnt, wenn er in St. Petersburg ist. Putin ist in St. Petersburg geboren und ist circa zehnmal im Jahr hier. Andrejs Freund Denis arrangiert dafür unsere Räder vor Putins Palast, er arbeitet als Kameramann fürs Fernsehen.
Als wir uns verabschieden, lädt Putin mich ein, zu sehen, wie er wohnt und mit ihm russisches Essen zu essen. OK, es ist natürlich Andrej, der mich fragt. Es ist aber schon 18:30 Uhr und ich fürchte es wird zu spät. So bedanke ich mich höflich und wünsche ihm alles Gute für seine Fahrradtour nach Wyborg, die er morgen startet. Fast hätten wir zusammen fahren können, die gleiche Strecke fahre ich übermorgen!
Putins Sommerresidenz Datscha Black Metal Gates
Um schneller voranzukommen, weiche ich auf die Straßen aus, bislang sind wir die Prospekts, also die nach St. Petersburg führenden Straßen, umgangen und auf Nebenstrecken oder Bürgersteige ausgewichen. Es geht tatsächlich sehr flüssig und ich komme in keine Bedrängnis, außer bei einem Busfahrer, der mir offensichtlich zeigen möchte, dass die Busspur ihm gehört.
Offene Ablehnung
Schnell noch ein Ankunftsfoto bei dem Denkmal ‚Der eherne Reiter‘ zu Peter dem Großen. Nicht so einfach, denn der erste Russe lehnt ab, als er hört dass ich aus Deutschland bin. Dem eifert der neben ihm stehende andere nach. Etwas konsterniert frage schließlich einen Asiaten, der problemlos bereit ist ein Foto von mir zu machen. Kurios, aber die Kontraste hier in Russland zwischen sehr freundlich und sehr unfreundlich, sehr reich und sehr arm, sehr schön und sehr schäbig scheinen extrem groß. Es ist das erste Mal auf der Tour, dass ich auf so offensichtliche Ablehnung stoße. Aber wie sage ich immer: freundliche und unfreundliche Menschen gibt es überall. Beschäftige Dich halt mit den Freundlichen!
St. Isaac Kathedrale | St. Petersburg Der eherne Reiter
Abends geht es in die Stadt, ein paar Nachtimpressionen habe ich für euch abgelichtet. Dabei lerne ich auch die Möglichkeiten meiner kleinen Kamera immer besser kennen. Mehr über die Millionenstadt St. Petersburg morgen.
4 Kommentare
Lieber Bernd, ich muss dir erzählen wie toll ich deine Reise, deine Berichte und Fotos finde. Diesen Sommer habe ich keinen Urlaub, da ich etwas sparen muss, und denoch habe ich den Eindruck durch dich die Welt ein bisschen zu entdecken. Ich staune, fibere mit und freue mich bei jeder tollen Begegnung, die du machst. Ich freue mich jeden Abend deinen Blog zu lesen, um zu erfahren, welchen Abenteuer der Tag dir gebracht hat. Ich wünsche dir viele tolle Eindrücke und Begegnungen. Fahr vorsichtig und komm mit vielen Geschichten und Bildern zurück! Christel
Liebe Christel,
danke für Deinen lieben Kommentar! Es freut mich, dass ich anderen Menschen eine Freude damit machen kann. Dafür mache ich es!
Ich hoffe, Dir viele Einblicke in die verschiedenen Länder geben zu können. Schön, dass Du dabei bist!
Es ist unglaublich: Nun ist auch Russland schon bald durch!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd
Lieber Bernd,
So weit hast du es schon geschafft! Hut ab! St. Petersburg muss toll sein. Leider haben wir es noch nicht bis dort geschafft.
Genieße die Zeit und Erlebnisse dort! Mögen Dir hoffentlich noch ein paar nette Menschen begegnen.
Wir freuen uns schon auf die Fotos.
Liebe Martina!
Eine großartige Stadt der Kultur. Aber man braucht viel mehr Zeit. Nehmt sie euch doch mal ?! Sie ist sehr vielfältig, aber auch sehr voll. Heute habe ich wieder Kontrastprogramm gehabt entlang der kleinen Dörfer. Grüß Deine Lieben von mir!
Radreiseglückliche Grüße
Bernd