Ostsee-Umrundung | gesamt 2.653 km
Tallinn (EST) | Tag 35 | heute 0 km
Nach einem erneuten Frühstück im Reval (Straße: Vene1), das ich nur empfehlen kann, besuche ich bei Dauerregen das Photographie Museum im ehemaligen Ratsgefängnis der Stadt inklusive spannender Geschichte der Entdeckung eines geheimen Treppenhauses.
Die Minox wurde in Tallinn erfunden
Die ausgestellte erste Pocketkamera Minox wurde 1936 in Tallinn erfunden und hergestellt, die Produktion erfolgte später mangels Hersteller in Riga. Sie wurde wegen ihrer Größe gern als Spionagekamera eingesetzt. Spannende Fotografien verschiedener Fotografen aus Estland sind zu sehen, insbesondere ein Vergleich der Gebäude von vor 40 Jahren und heute fesselt mich.
Immer wieder regnet es heute, so dass ich versuche, dem Regen in Cafés zu entgehen. Am frühen Nachmittag besuche ich das Hipster Viertel Telliskivi. Dort gibt es in und um eine große Markthalle viele kleine Restaurants sowie Kunst- und Designgeschäfte. Ein quirliger und junger Bereich von Tallinn, durchaus sehenswert.
Wiedersehen mit Renate und Fred im Hipsterviertel Telliskivi
Als ich auf der Straße entlang schlendere und hochschaue, kommen mir Renate und Fred entgegen, die ich das letzte auf Saareema gesehen habe. Es gibt einfach Zufälle, die gibt es gar nicht. Aber vielleicht sind es dann ja gar keine Zufälle! Wir freuen uns, uns wiederzusehen und reden über die vergangenen Tage unserer Fahrradtour. Natürlich bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich für ihre großzügige 50 € Spende und wir schießen ein Wiedersehens Foto.
Wiedersehen in Tallinn!
Ich bin schon gespannt, wann wir uns das nächste mal begegnen, wobei sich unsere Wege nun in verschiedene Richtungen trennen werden. Zumal ich morgen für die drei Tage nach Deutschland fliege. So folge ich noch ihrer Empfehlung und esse beim Usbeken einen Fladen mit Spinat und Schafskäse, danach geht es Richtung Hafen.
Tallinna Linnahall
Ich komme an ein verfallenes Gebäude am Hafen von großem Ausmaß, vermutlich aus der Sowjetzeit. Karte und Internet geben mir zunächst keine Auskunft was es ist. Erst am nächsten Tag erfahre ich von Edgar, dass es die Tallinna Linnahall ist, früher hieß sie W.-I.-Lenin-Palast für Kultur und Sport. Erbaut 1980 anlässlich der Olympischen Sommerspiele (Segelwettbewerbe) war sie bis 2001 die größte Mehrzweckhalle Estlands. Ein krasser Bau, 39 Jahre für einen derartigen Verfall überraschen mich. In Estland ist man sich uneins: Erhalten oder umbauen zu einem Konferenzzentrum?
Der Blick von der erhöhten Plattform auf die Ostsee ist allerdings bei Tallinnern und Besuchern beliebt, und auch heute haben sich ein paar Kids einen exponierten Platz zum Chillen bei Musik ausgesucht.
Von dort führt mich der Weg weiter zu dem großen Fährhafen zwischen Tallinn und Helsinki. Wer Russland umgehen möchte, setzt von hier aus über. Das kostet mit dem Fahrrad one way knapp 50 €. Der Fähr- und Jachthafen an und für sich ist jedoch nicht besonders sehenswert, touristisch kann er nicht mit der mittelalterlichen Altstadt von Tallinn mithalten.
Gepräche über die Leidenschaft für Dinge
Zum Abendessen versuche ich wieder im Restaurant von gestern unterzukommen, aber es ist alles ausgebucht. Ich bekomme den Tipp, zum Schwesterrestaurant zu gehen. Es ist etwas teurer, aber genauso gut. Am Nachbartisch nehmen zwei sympathische Amerikanerinnen Platz. Sie haben keinen Strom mehr fürs Handy und fragen, ob sie es an der Steckdose neben meinem Tisch aufladen dürfen.
Natürlich, und darüber kommen wir ins Gespräch zur Tour, da man auch als Radreisender häufig ein Stromjunkey ist. Irgendwann dreht sich Karina um, und fragt, ob ich mein Dessert nicht an ihrem Tisch essen möchte. Das mache ich gern, und es folgt ein wundervolles Gespräch über Tour, Reisen, und Jobs. Mittelpunkt bei allem ist die Leidenschaft für die Dinge.
Liebe, was Du tust!
Karina und ihre Mutter Judi sind über Finnland nach Estland gekommen. Es ist das erste Mal, dass die zwei alleine zusammen unterwegs sind, ganz bescheiden in bed & breakfast untergebracht. Die sympathische Judi ist im Ruhestand und ist in ihrem Job als Logopädin insbesondere für Kinder aufgegangen. Sie konnte es sich kaum vorstellen aufzuhören. Ihre wundervolle Tochter Karina ist als Juwelierin in San Francisco selbständig, designt Schmuck und managed ihr Team. Ich habe ihre Website www.wafflesandhoney.com (benannt nach ihren geliebten Haustieren) mit wirklich schönem Schmuck gesehen, schaut sie euch mal an. Dort ist auch eine Seite über Karina. Sie liebt, was sie tut!
Ihr Bruder hat seinen sicheren Job als Lehrer einer Primary School gerade geschmissen. Seine Leidenschaft ist die Musik, er ist Musikproduzent und vor allem für seine Impro-Videos mit bekannten Rappern bekannt. Gerade hat er bei Instagram unter dem Pseudonym ‚Einer Bankz‚ 1,1 Millionen Follower überschritten. Hier im Video der coole Typ mit der Ukulele und der Kappe.
It’s all about passion!
Die ganze Familie aus Nordkalifornien teilt etwas Elementares: Ihren Antrieb aus ‚Passion‘. Es ist immer wieder großartig, solche Menschen zu treffen – und mit der Grund für mein Baltic Sea Project. Irgendwann schließt das Restaurant und wir müssen gehen. Irgendwie fällt es uns schwer, war es doch so ein nahes und intensives Gespräch über Motivation, Inspiration und Wegfindung. Aber so ist das Radreisen – immer nur ein Fenster.
Karina, Judi, so great to have met you, it enriched my journey! And even better to stay in contact on social media channels! Have a good time in medieval Tallinn.