Bocholt (B) – Putte | Heute 95 km | Gesamt 185 km
Es wird eine unruhige Nacht mit wiederholten kleinen Schauern, notdürftig haben wir unsere Regenjacken in die Äste über uns gelegt, um etwas Regen abzuhalten. Trotzdem tropft es aus den Bäumen immer wieder auf die Kapuze des Biwaksacks. Wie ein Wasserhahn in einem Hotelzimmer. Nacht raschelt es im Gebüsch und alle Sinne sind auf Alarmbereitschaft. Die Taschenlampe soll Licht ins Dunkel bringen. Aber es lässt sich kein vermutetets Wild entdecken. Nur mein Sohn schläft fest.
Morgens nach dem Aufstehen dann ein Schreck: Ich habe mir in der Nacht zwei Zecken eingefangen, Tristan eine. Wir checken die Schlafsäcke und Klamotten notdürftig und finden ca 10 weitere Minizecken. Zum Glück haben wir eine Pinzette dabei und sie lassen sich gut lösen. Aufgrund der Kürze der Zeit seit dem Biss dürften wir glimpflich davon gekommen sein. Hier wollen wir jedenfalls schnell weg, kramen alles zusammen und radeln verschlafen gegen 8 Uhr Richtung nächstem Ort auf der Suche nach einem Frühstück.
In Sint- Huibrechts-Lille finden wir eine kleine Bäckerei. Uns fällt in Belgien auf, dass in jedem kleinen Ort noch eine Bäckerei zu finden ist, die meist auch belgische Pralinen und sensationelle Kuchen herstellt. Viel Handwerk und sehr persönlich. Wir bekommen ein leckeres Frühstück und werden langsam wach für den Tag.
Maas-Schelde Kanaal
Wir folgen nun lange einem wirklich schönen Teil der Strecke: Dem Kanaal Bocholt-Heerentals, auch Maas-Schelde Kanaal genannt. Er wurde 1846 nach dreijähriger Bauzeit eröffnet, und spielte im zweiten Weltkrieg eine Rolle für die Alliierten.
Die Sonne kommt raus und wir freuen uns sehr, dass die Strahlen uns Wärme schenken. Auf der anderen Seite des Kanals fährt eine große Gruppe junger Radfahrer, wir winken uns alle zu und freuen uns, nicht alleine zu sein. An der nächsten Rastmöglichkeit beschließen wir unsere vom Regen feuchten Sachen auszubreiten und sie vor allem nochmal nach den kleinen Plagegeistern abzusuchen. Wir finden nochmals einige Zecken, entfernen sie und sind für die folgende Nacht klüger. Kein Zecken-Wald mit Gräsern auf dem Boden!
Wir verlassen den Kanal. Uns begleitet ein Belgier einige km mit dem Rad und er erzählt uns einiges über seine Heimatstadt Turnhout, durch die wir fahren. Hier ist unter anderem das Schloss der Herzöge von Brabant und der
Beginenhof aus dem 13. Jahrhundert, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Wir sind schnell unterwegs und machen nur kurz am Marktplatz halt, auf dem eine Kirmes aufgebaut ist. Die Stadt ist quirlig, es sitzen viele Menschen in Cafes, aber uns treibt es weiter, jetzt ist keine Zeit für eine Pause.
Natürlich gibt es auch einen „Running Gag“ auf der Tour: Ich möchte Nachmittags immer meinen Cappucino – sozusagen meine Selbst-Belohnung für den Tag und eine schöne Pause. So läuft die Planung Nachmittags immer mit der Suche nach einem Café und Tristan verdreht lachend die Augen.
Groot Schietfeld
Unser heutiges Ziel liegt irgendwo hinter dem Groot Schietfeld, einem großen grünen Bereich auf der Landkarte. Wir müssen über den Namen lachen und unsere Phantasie lässt ein üblriechendes Pflaster daraus werden. Wir denken es könnte uns gut für unser nächstes Nachtlager dienen. Dort angekommen müssen wir erkennen, dass Schiet dann doch von Schießen kommt. Wir stehen vor einem militärischen Übungsgebiet, mit Warnung vor Lasern und Kreuzottern. Ein verkommenes Häuschen am Rand könnte uns Obdach geben, doch wir entscheiden uns weiter zu fahren , da es dem Geruch nach der örtlichen Jugend abends zum Pinkeln dient. Es ist Freitag abend, und wir wollen uns das dann doch verkneifen.
Wir können das Schietfeld auf einem schönen Weg queren und sind schon über die 80 km hinaus. In einer kleinen Frituur am Straßenrand klagt uns die freundliche Besitzerin von ihrem Leid, dass sie den Imbiss bald schließen muss wegen behördlicher Probleme. Wir bekommen zwei Friet Deluxe, die größten Pommes zum kleinsten Preis, mengenmäßig kaum zu schaffen. Nun aber auf, das nächste Nachtlager suchen.
Putte
Wir finden es in einem menschenleeren Park östlich von Putte und haben heute 95 km geschafft. Der Parkboden ist mit Mulch ausgestreut, erscheint uns zeckenfrei und so suchen wir uns zwischen Büschen hindurch unter ein paar großen schützenden Bäumen das zweite Nachtlager. Wir trinken im Nachbarort noch ein Bier, um den schönen Tag zu würdigen, und fahren dann zum Park zurück zu der auserkorenen Stelle. Ein wundervoller weitläufiger Park, er fasziniert uns. Er ist sehr geometrisch aufgebaut und hat lange Wege, die auf die Gloriette zustreben, ein kleines kapellenartiges Gebäude.
Als wir später einschlafen denken wir: eine wirklich tolle Stelle! Der Wind wiegt seicht die Bäume, wird aber stärker und irgendwann fängt es an zu regnen. Diesmal kein Schauer, aber es regnet die ganze Nacht. Wir können uns nur tief in die Biwaksäcke verkriechen.